Am Samstagmorgen sammelte mich dann mein Betreuer für dieses Wochenende, Sebastian Padt, ein und es ging in Richtung Alfsee im Kreis Osnabrück. Schnell war ein Stellplatz gefunden und alles aufgebaut. Etwas unerfreulich war, dass ausgerechnet jetzt mein Heuschnupfen zum erstem Mal so richtig in diesem Jahr zuschlug. An der Startlinie äußerte unser Zeltnachbar, ebenfalls Einzelstarter, die Vermutung, dass ich hier aus der Gegend käme, weil so viele gute Freunde am Streckenrand standen. Immer wieder großartig zu sehen, wie groß diese Radsportfamilie über die vielen Jahre die ich mittlerweile dabei bin geworden ist, eine riesige zusätzliche Motivation.
Pünktlich um 14 Uhr war dann der Start zu der 24h DM um den Alfsee. Ich war die Strecke vorher nicht abgefahren, da ich der Meinung war, ich würde Sie noch oft genug sehen. Und so sah ich die Runde nach dem Start zum ersten Mal und merkte schnell, sie war noch schlimmer als mir vorher angedroht wurde. Etwa die halbe Strecke, gefühlt noch viel mehr, bestand aus diesen abartigen Wiesenstücken. Die Höhenmeter bestanden nur aus sehr kurzen Rampen, ebenfalls über Wiesenstücke, die ein Großteil der Fahrer gar nicht hinauf kam, hier brauchte es schon eine Menge Kraft, eine gute Balance auf dem Bike und viel Gefühl beim Schalten, es blieben über das Rennen so einige Ketten hier liegen. Zwischen den Wiesenstücken waren immer wieder längere gepflasterte Abschnitte, die mir deutlich besser lagen, Kopf auf den Lenker und durchdrücken war hier das Motto.
Die ersten vier Stunden liefen dann ziemlich rund, ich war das Rennen einigermaßen locker angegangen und die meiste Zeit im GA1 Bereich unterwegs. Ich lag auf Platz 3 als ich auf der Hälfte der Runde schlagartig heftige Probleme mit dem Margen bekam. Ich wusste auf einmal gar nicht mehr, wie ich die Runde noch zum Ziel kommen sollte. Ich hielt gerade am Streckenrand an als ein Streckenbetreuer mit dem Rad kam und mich über eine der längeren Geraden schob. Es ging schon wieder ein wenig besser, aber nun fingen wieder die holprigen Wiesenstücke an. Irgendwie schaffte ich es dann noch bis zum Ziel und die Toilette brachte Erleichterung. Ob es die holprigen Wiesenstücke waren die auf den Margen schlugen, die Allergietabletten oder hatte ich doch irgendetwas falsches gegessen, ich weiß es nicht. Das ganze ärgerte mich aber doch ganz schön, wie oft fahre ich 4h Trainingseinheiten, wie viele Rennen bin ich allein in diesem Jahr über 4h gefahren und ausgerechnet jetzt so ein Mist schon so früh.
Die folgenden Runden lief es erst wieder besser, wenig später wurde es dann aber wieder zunehmend schlechter. Ich bekam immer mehr Schmerzen im Hüftbereich. Nach 6 Stunden hielt ich dann an. Ich war mir eigentlich schon sicher, dass das hier heute nichts mehr gibt, kündigte aber gleich mal meine Revanche für 2017 am Nürburgring an. Nachdem ich 45 Minuten da saß und mit dem Rennen eigentlich schon quasi abgeschlossen hatte, kam einer der vielen Betreuer aus dem Nachbarzelt und sagte, "eine Runde fährst du aber noch.". Also gut, dachte ich, eine Runde noch, damit man auch im Nachbarzelt zufrieden ist. Ich setzte mich wieder aufs Rad und rollte los. Auf der Runde fuhr ich auch wieder auf den Einzelstarter aus dem anderen Nachbarzelt auf. Er sagte zu mir, "du willst doch wohl nicht schon aufgeben!", Worte die mir noch länger im Hinterkopf blieben. Im Ziel dann die Entscheidung, doch noch eine Runde dranzuhängen. So ging es mir die nächsten 3 Runden auch noch, jede Runde die Überlegung hörst du auf, oder fährst du doch noch eine Runde. Immer wieder viel die Entscheidung darauf, doch noch eine Runde zu fahren. Mittlerweile war es dunkel geworden und wieder stand diese Entscheidung an, weiterfahren oder aufgeben. Nun traf ich eine endgültige Entscheidung, die lautete: weiterfahren.
In den folgenden Runden wurde es immer besser, ich hielt fast jede Runde kurz an um eine Kleinigkeit zu Essen nachzuschieben und ansonsten wurde durchgefahren. Schnell war ich wieder auf Platz 6 vorgefahren und der Vorsprung nach hinten wurde langsam aber einigermaßen kontinuierlich größer. Die Nacht verging unglaublich schnell, Luft und Temperaturen waren sehr angenehm zum fahren. Am Morgen fuhr ich auf den Fünftplatzierten, Sven Hielscher, auf, der noch eine ganze Runde Vorsprung auf mich hatte. Er zeigte mir den Viertplatzierten, der etwa 100 Meter vor uns lag und gerade als wir ihn eingeholt hatten, hielt er zur Pinkelpause an. Somit war Sven nun vierter. Als wir an den längeren geraden Abschnitten angekommen waren, sagte Sven zu mir, "wenn du mir einen Gefallen tun möchtest, dann hilf mir einen kleinen Vorsprung auf David raus zu fahren" und da es mir zu dem Zeitpunkt gerade sehr gut ging, half ich ihm gerne dabei. Ich holte meinen Puls endlich mal wieder über die 150 Schläge und wir gaben zusammen ordentlich Gas. Am Ende der längeren flachen Abschnitte hatten wir sicherlich einen akzeptablen Vorsprung rausgeholt und unsere Wege trennten sich nun wieder.
Das Wetter wurde wieder zunehmender schwüler und heißer und die Sonne stand wieder voll auf der Strecke. Ich bekam die Idee vielleicht den fünften, David, auch noch einzuholen, Sven Hielscher auf Vier war mir nicht so wichtig, aber noch in die Top Fünf zu fahren, wäre ja schon cool. Es lief den Morgen lang weiter weitestgehend ziemlich rund, mal für eine Runde ein zwicken im Knie, mal die Füße die weh taten, aber im großen und ganzen war alles gut. Etwa 3 Stunden vor Schluss schaffte ich es dann tatsächlich David einzuholen und konnte auch schnell einen kleinen Vorsprung raus zu fahren. Dann fingen meine Handgelenke unglaublich an weh zu tun, ich ging in Schonhaltung, umfasste den Lenker nur noch ganz locker, aber es wurde immer schlimmer. Etwas über 2h vor Schluss musste ich mich nochmal für einige Minuten in den Sessel setzen, aß eine Kleinigkeit bevor es zurück aufs Bike ging. Mein Rückstand auf Sven betrug 28 Minuten, meine zwischenzeitige Idee ihn vielleicht auch noch zu bekommen verwarf ich und konzentrierte mich darauf den fünften Platz zu sichern. Die Power vom Morgen war nämlich mittlerweile verschwunden und ich fühlte mich von der Fitness den Umständen entsprechend zwar nicht schlecht, freute mich aber doch schon sehr darauf das Ziel endlich zu erreichen. Meine Handgelenke waren durch die Pause leider nicht besser geworden, aber ich merkte das meine Schonhaltung absolut kontraproduktiv war, wenn ich den Lenker so fest wie möglich umklammerte, war die Fahrt über die gefühlt immer holpriger gewordenen Wiesenstücke erträglicher. Endlich stand sie an, die letzte Runde. Bei der Einfahrt in diese, riss das Team Harveycom beim Anfeuern fast den Zaun ab und auch viele andere Freunde feuerten noch einmal an. Es waren noch 38 Minuten bis zum Schluss des Rennens, weshalb ich auf der letzten Runde etwas bummelte, um bloß nicht vor 14 Uhr wieder da zu sein und noch eine Runde fahren zu müssen. Gleichzeitig ging der Blick immer wieder nach hinten, aus Angst, dass David doch noch einmal kommen könnte.
Die Taktik ging auf, gerade als ich zurück auf das Eventgelände einbog, hörte ich, wie die letzten 10 Sekunden bis zum Zielschluss runter gezählt wurden. Noch nie war ich schlagartig so erleichtert und glücklich zugleich, wie in diesem Augenblick. Unter einen riesen Beifall vieler Zuschauer durfte ich durchs Ziel fahren, ein fantastischer Augenblick. Niemals hätte ich es nach den ersten 6 Stunden gedacht, dass ich es dann doch noch bis zum Ende durchhalte.
Im Ziel angekommen ging es mir dann jedoch Schlagartig schlechter, ich suchte mir die nächststehende Liege und legte mich erst einmal einige Minuten hin. Nachdem ich wieder aufgestanden war wurde mir sofort schwindelig und das nächste was ich mitbekam war, dass ich auf der Wiese lag. Auf Nachfrage bei Sebastian war ich nur wenige Sekunden weg. Nachdem ich wieder eine ganze Zeit lang auf der Liege lag und viel Wasser getrunken hatte, konnte ich wenigstens schon mal wieder alleine aufstehen und, wenn auch nur sehr wackelig, laufen. Sebastian packte in der Zwischenzeit das Auto zusammen, so dass wir auch bald nach Hause fahren konnten. Woran meine plötzliche Kreislaufprobleme lagen, ist neben der Sache mit dem Margen die zweite offen bleibende Frage. War es das plötzliche aufhören, war es der plötzlich fehlende Zucker (ich hatte in den letzten 18h fast nur Cola und Red Bull getrunken), war es ein Sonnenstich oder einfach die Überanstrengung, ich weiß es nicht.
Mit dem fünften Platz von 85 Startern bei der Deutschen Meisterschaft bin ich sehr zufrieden, auch wenn ohne die Probleme mit dem Margen in den ersten Stunden vielleicht sogar noch mehr drinnen gewesen wäre. Am Ende hatte ich 35 Runden, also insgesamt 420 Kilometer gesammelt. Ich hatte mich schon ewig nicht mehr bis an die Grenzen meiner Belastbarkeit gefahren und wollte durch das 24h Rennen mal wieder wissen, wie sich das anfüllt; im Nachhinein bin ich mir unsicher, ob ich überhaupt vorher schon einmal so an meine Grenzen gegangen bin.
Auf der Strecke war durchweg eine sehr gute Stimmung, mit viel Respekt und Rücksichtnahme unter den Fahrern, was mir als sehr positiv aufgefallen ist. Ebenfalls erfreulich war die hervorragende Organisation und Verpflegung des Veranstalters. Das einzige, was mir überhaupt nicht gefallen hat, war die Strecke mit den vielen Wiesenstücken, ein ziemlich wesentliches Manko, was einen erneuten Start von mir höchst unwahrscheinlich macht.
Einen Tag nach dem Rennen ging es mir dann auch schon wieder unerwartet gut, eigentlich schmerzten nur die Handgelenke wirklich. Heute, vier Tage nach dem Rennen, ist außer einen leichten Taubheitsgefühl in den Händen nichts mehr zu spüren. Ich hatte nicht erwartet, dass ich das 24h Rennen so gut weg stecke.
Zum Abschluss bleibt mir nur noch Danke zu sagen. In erster Linie an meinen Betreuer Sebastian Padt, der sich das ganze Wochenende um die Ohren geschlagen hat und dafür gesorgt hat, dass ich eigentlich nur noch Fahrrad fahren musste. Des Weiteren gilt mein Dank den vielen Freunden und Zuschauern sowie den beiden Zeltnachbarn an der Strecke, für die Anfeuerung und die unterstützenden Worte, eine riesen Motivation. Und nicht zuletzt ein großes Danke an Sven Riedesel von Radsport Campana, der sich in den vergangenen Wochen viel Zeit genommen hat, mein Centurion Backfire perfekt auf mich abzustimmen; eine komfortable Sitzposition und nicht einmal ein zwicken im Rücken, zeigen wohl eindeutig, dass dies erfolgreich war.
Beste Grüße
Felix
P.S.: da ich das Rennen nach der Ankündigung meiner Revanche am Nürburgring 2017 ja doch noch zu Ende gefahren habe, ist die Revanche wohl hinfällig. Dass es trotzdem einen erneuten Solostart gibt, würde ich aber nicht ausschließen.