Nach zehrenden Wochen der Planung und Vorbereitung bin ich am 17.05.2024 endlich aufgebrochen in mein bisher größtes Fahrradabenteuer. Über die Nordsee und quer durch die Alpen nach Nizza kommen, die Tour de France auf dem Weg ein paar Mal sehen, legendäre Alpenpässe bezwingen und am 20.07 in der bereits gebuchten Unterkunft in Nizza eintreffen. Das war das Ziel. Und natürlich am 11.07 die Band Placebo auf dem Musilac Festival sehen und das HR Giger Museum in der französischen Schweiz besuchen. Und das alles mit meinem geliebten Mountainbike und 15kg Gepäck.

Na dann ma los. Wird schon alles klappen.

Die ersten Tage war es immer wieder komisch und etwas gruselig noch nicht zu wissen, wo ich abends schlafe und ob ich immer einen Campingplatz finden werde. Aber nach den ersten Erfahrungen war das später gar kein Problem mehr und ich konnte dann auch dieses Freiheitsgefühl richtig genießen. Nachdem ich in Hamburg noch für eine Woche bei meinen Großeltern war, habe ich dann Anfang Juni die Nordsee erreicht und in Cuxhaven sogleich einen Speichenbruch gehabt. Das sollte jedoch der einzige wirkliche Defekt auf meiner Reise sein. Ich hatte nicht mal einen Platten. Danke! Ich fuhr entlang der Nordsee Richtung Westen bis Emden, wo ich dann der Ems bzw. irgendwelchen Emskanälen folgte bis in den Ruhrpott hinein. Fast schon wieder zuhause. Das ging aber schnell. Nachdem ich dann über den Ruhrtalradweg den Rhein erreichte, war ich auch schon in Kölle. Dort habe ich dann ein paar Tage bei meinem besten Kumpel verbracht. Noch nie habe ich für eine Fahrt nach Köln einen halben Monat gebraucht.

Dann ging es für mich wie bereits 2019 entlang des Rheins bis Basel und von dort dann in ein paar Tagen zum HR Giger Museum, welches ich am 20.06 dann auch besucht habe. Ich bin ein riesen Alien Fan und hatte dieses Museum schon lange auf meiner Bucketlist. Es war mega krass dort und ich kann nur jedem, der wenigstens ein bisschen etwas mit dieser Kunst anfangen kann, wärmstens empfehlen dort mal vorbeizuschauen. Von dort war es dann auch nicht mehr weit zum Genfer See und den langersehnten Alpen.

Mein erster richtiger Pass war dann auch gleich mal der Col de L`Iseran (2.770m üNN). Ich startete von Bourg Saint Maurice (ca. 700m üNN) aus und war dann nach 6h auch mal oben. 1km vor dem Gipfel hat es dann noch mies angefangen zu schütten und oben hab ich mir dann schnell bei 8 Grad meine Regenjacke übergeworfen und bin auf der anderen Seite wieder runter. So doll habe ich lange nicht mehr gefroren. Habe dann zum Glück eine Pension gefunden und mir mal eine Nacht in nem Bett gegönnt. So viel zu meinem ersten richtigen Pass…

Mein Rad auf dem Col de L`Iseran
Mein Rad auf dem Col de L`Iseran
Mein Rad auf dem Col de L`Iseran

Ab dann ging es kreuz und quer durch die Alpen. Von krassem Pass zu noch krasserem Pass. Am 02.07 habe ich die Tour de France am legendären Col du Galibier gesehen. Das war der absolute Wahnsinn. Die Stimmung war wie auf einem Festival. Als die Fahrer, die ich sonst nur im Fernsehen gesehen hab, dann so einen halben Meter entfernt an mir vorbeigedonnert sind, das war wirklich ein krasses Erlebnis. Was ganz anderes als 2017 in Mettmann.

Ich auf dem Col du Galibier bei der Tour de France
Ich auf dem Col du Galibier bei der Tour de France
Ich auf dem Col du Galibier bei der Tour de France

Über den wunderschönen Col de la Croix de Fer ging es dann weiter nach L`Alpe d`Huez. Mit mir sind zahlreiche andere Radfahrer dort hochgefahren und somit gab es viele coole und lustige Begegnungen. Dieser Anstieg war wirklich hart, aber ich finde richtige Bergpässe, wo man oben im Nix steht und nicht in einem doofen Skiort viel spannender. Trotzdem war L`Alpe d`Huez natürlich ein absolutes Erlebnis. Vor allem wenn man danach sagen kann, dass man da schon hoch ist und dann auch noch mit ordentlich Gepäck und keinem 7kg Rennrädchen.

Mein nächstes Zwischenziel war das Musilac Festival in Aix-les-Bains an einem traumhaften See. Das war ein sehr schöner Tag und eine gute Abwechslung zum alltäglichen Radfahren. Nach vielen weiteren Cols und der zweiten Fahrt durch Grenoble ging es dann Richtung Gap auf teilweiser originaler Tour de France Strecke. Allerdings ein paar Tage bevor die Tour dort langfahren sollte. Es boten sich mal wieder traumhafte Tal Durchfahrten und spannende Begegnungen.

Zuvor hatte ich auf dem Weg nach Grenoble ein Pärchen aus Aachen kennengelernt, die auch mit dem Rad unterwegs waren und im Vorjahr eine sechsmonatige Radreise nach Georgien gemacht haben. Mit den Beiden habe ich mich sehr gut verstanden und wir fuhren einige Tage zusammen. So auch die Etappe über den Col de Vars nach Jausiers. Auch ein paar Tage bevor die Tour da lang ist. Am Folgetag bin ich dann über das Dach meiner Tour, den Cime de la Bonette (2.802m üNN), rauf nach Isola 2000 geklettert. Das war sicherlich der Tag mit den meisten Höhenmetern. Ich habe es leider nicht aufgezeichnet, aber es müssten so um die 2.600hm mindestens gewesen sein.

Ich ganz oben auf dem Cime de la Bonette
Ich ganz oben auf dem Cime de la Bonette
Ich ganz oben auf dem Cime de la Bonette

Auf dem Anstieg nach Isola 2000 habe ich dann auch direkt an der Straße gemeinsam mit sicherlich einigen 10.000 Menschen genächtigt, um am nächsten Tag mit Spannung die 19.Etappe der Tour zu sehen. Das war jetzt aber wirklich der absolute Oberhammer. Pogacar hat mal wieder erbarmungslos alle abgezogen und mir genau vor die Füße gespuckt. Was ein Highlight! Nils Politt kam als einzelner Fahrer hoch und konnte so von mir und einer Fangruppe aus Köln mit vollen Kräften und Aufmerksamkeit angeschrien werden. Allez allez allez!!!

Nach diesem unglaublichen Tag bin ich dann am Folgetag, gemeinsam mit einem Pärchen aus den USA, pünktlich am 20.07 in Nizza eingerollt. Was ein Timing und was für eine krasse Radreise. Es hat alles soooo gut funktioniert, ich hatte keine Defekte (bis auf den Speichenbruch) und durfte so viele spannende Menschen kennenlernen. Danke!

Aber ich hatte auch dieses Gefühl in mir, dass meine Reise noch nicht zu Ende sein sollte. Nach meiner geplanten Woche Strandurlaub in Nizza einfach in einen Zug einsteigen und nach Hause fahren? Nein.

Mein Entschluss auch wieder zurück nach Hause zu radeln stand fest. Nachdem ich mich mit dem Pärchen aus Aaachen verständigt hatte, bin ich dann die nächsten drei Tage wieder mit Begleitung unterwegs gewesen. Entlang der heißen (doppeldeutig zu verstehen) Mittelmeerküste ging es dann über Monaco nach Bella Italia und dort durch Ligurien, Mailand, Bergamo und Brescia zum Lago die Garda. Über Bozen, Meran, den Jaufenpass und den Brenner dann ein weiteres, aber auch deutlich kürzeres Mal über die Alpen. Von Innsbruck wollte ich dann über Seefeld in Tirol nach Deutschland fahren, was sich dann aber eher als Gewaltmarsch entpuppt hat. Die Straße hoch nach Seefeld ist für Radfahrer gesperrt und so musste ich mein Rad samt Gepäck eine ziemlich steile und grobe Schotterpiste durch den Wald nach oben schieben. Zum Glück traf ich auch hier auf gute Gesellschaft aus Amerika und so war meine Laune dennoch wie immer sehr gut. Trotz dieser Verzögerung konnte ich am selben Tag noch bis Deutschland vorstoßen. Dort legte ich dann erstmal einen wohlverdienten Ruhetag in München ein und schaute mir dort die Stadt an. Das Trinken einiger Maß durfte da natürlich nicht fehlen. Da der Abend dann noch ziemlich eskalierte bin ich am nächsten Tag auch erst gegen Mittag wieder aufs Rad gestiegen. Aber hey sowas gehört dazu und muss dann auch ausgekostet werden.

Über den wunderschönen Tauber-Radweg (wirklich sehr zu empfehlen) und entlang des Main fuhr ich weiter und war damit auch schon in Frankfurt. Am 13.08 war dann meine letzte Etappe angebrochen und es ging aus dem Taunus durch den Westerwald und das Siegerland ins Oberbergische. Und dann war da auch schon die altbekannte Trasse, die mich bis nach Lennep führte. Bereits ab Marienheide eskortiert, wurde ich dann in Lennep fürstlich empfangen. Unter anderem von meinen Freunden und Vereinskollegen Nils Brockmann und Jan Küpper. Inklusive Kastentreppchen, Kölsch und einem Pokal. Danke Freunde! Das wirklich der krönende Abschluss meiner Tour.

Ich und mein Empfangskomitee in Lennep an der Trasse
Ich und mein Empfangskomitee in Lennep an der Trasse
Ich und mein Empfangskomitee in Lennep an der Trasse

Der Weg zurück ins heimische Lütterkusen war dann nicht mehr weit. Somit war es getan und ich bin überglücklich und erschöpft in mein Bett gefallen.

All in all komme ich auf ca. 5.400km mit ca. 52.800hm. Was ein Ritt. Ich kann nur jedem empfehlen sich für so eine Erfahrung die nötige Zeit zu nehmen wenn es irgendwie geht und das Leben zu genießen! Auf dieser Reise habe ich so viele tolle Menschen kennengelernt und einige Träume verwirklicht. Dazu zählen vor allem die insgesamt vier Tage an der Strecke der Tour de France 2024 und der Besuch des HR Giger Museums. Und, dass ich nun wenn ich die Tour im Fernsehen sehe sagen kann: „Ja den Berg bin ich schon hochgefahren!“

LG und Kette rechts
Jan H.